The following article concerning the wireless station at Apia, Samoa, was published in the Telefunken company’s newsletter Telefunken-Zeitung, Nr 18, of October 1919.
The Telefunken-Zeitung newsletters were digitised in 2007 by Thomas Günzel for www.radiomuseum.org
This article was reviewed for maritimeradio.org in 2021 by Johannes Schneider and a few minor errors, such as typos in the original, were corrected.
Johannes also produced an English translation of this article for maritimeradio.org in 2021.
We are grateful to Thomas and Johannes for their assistance in preserving this important information.
Funkentelegraphische Skizzen aus der Kriegszeit in der Südsee (Samoa)
Von R Hirsch
Die ersten Mobilmachungsmeldungen aus der Heimat stellten die Haltung Englands noch als ungewiß hin und ließen einem schwachen Hoffnungsschimmer Raum, daß England neutral bleiben oder mindestens den Krieg nicht in die Kolonien tragen würde. Mit höchster Spannung erwarteten wir in Apia die weiteren Telegramme. Die Telefunkenstation Yap stand noch in Verbindung mit der Heimat. Am 5. August, nachts 2 Uhr, kam die Entscheidung: „Officially: England has declared war to germany.“ Wir wußten, es bedeutete für unsere Kolonie das Todesurteil. Samoa war die entlegenste und exponierteste aller deutschen Besitzungen. Die englischen Kreuzer aus der benachbarten Flottenstation der Kronkolonie Fidji konnten jeden Augenblick in Apia eintreffen. Kaum hatte unser Telegraphist Grün die sieben schicksalsschweren Worte niedergeschrieben, als auch schon ein Dröhnen und Klirren vom Hafen von Apia heraufdrang, das genau so klang wie das Geräusch beim Fallenlassen von Schiffsankern. Wie, sollten die englischen Kriegsschiffe bereits da sein, sollten sie außerhalb Apias nur auf den Moment der Kriegserklärung gelauert haben, um sich des längst begehrten Samoas durch einen überraschenden Handstreich sofort zu bemächtigen? — Wir telephonierten zum Hafen. Kein Schiff weit und breit zu sehen, war die Antwort. Erst nach einer Viertelstunde, als sich unsere überreizten Nerven etwas beruhigt hatten, sahen wir ein, daß wir einer Sinnestäuschung zum Opfer gefallen waren. Das Geräusch der fallenden Ankerketten war durch ein Erdbeben hervorgerufen worden, das eigentümlicherweise unmittelbar nach dem Eintreffen der Kriegserklärung durch den Archipel gezogen war.
Als eigentümlicher Zufall kann auch gelten, daß die Funkstation Apia gerade am l. August 1914, unmittelbar vor Kriegsausbruch, fertiggestellt und in den öffentlichen Dienst gestellt wurde.[i] Die Station sollte in erster Linie dem in friedlichem Wettbewerb aufblühenden deutschen Handel in der Südsee dienen; aber die ersten amtlichen Telegramme, die eintrafen, enthielten nichts als Kriegserklärungen! Andererseits sandte die englische Union Steamship Company of New Zealand noch am 1. August 1914 dem deutschen Gouvernement ein Glückwunsch-Telegramm zur Eröffnung der Funkstation! Die zufällige Fertigstellung der Station unmittelbar vor Kriegsausbruch ließ Samoa wenigstens nicht gänzlich unvorbereitet in die Hände des Feindes fallen. Viele der Südsee-Inseln, die keine drahtlose Verbindung hatten, erfuhren den Ausbruch des Krieges erst nach Monaten und merkten nur am Ausbleiben der üblichen Bootsverbindungen, daß etwas Außergewöhnliches eingetreten sein mußte. Beispielsweise hörten die Deutschen auf den Tonga-Inseln erst im Oktober 1914 durch ein englisches Kriegsschiff, das in Vavau einfuhr, daß Krieg ausgebrochen sei; sie bekamen ihn auch gleich zu fühlen, denn das Kriegsschiff kaperte sofort das deutsche Segelschiff, das dort vor Anker lag. Den abergläubischen Eingeborenen in Samoa erschien die zufällige Fertigstellung der Funkstation zum Kriegsausbruch so wunderbar, daß sie vermeinten, der Gouverneur von Samoa, Dr. Schultz, habe seit Jahren den Ausbruch des Krieges auf Tag und Stunde vorausgesehen und demgemäß den Bau eingerichtet!
Daß in Apia selbst in den aufregenden und kritischen Zeiten kurz vor Kriegsausbruch alles seinen altgewohnten Gang weiterging, beweist folgender kleine Vorfall. Wir hatten auf der Funkstation ein wichtiges auf den Krieg bezügliches Telegramm erhalten. Ich wollte es dem Gouverneur in Apia nicht auf telephonischem Wege übermitteln, da es leicht abgehört werden konnte, ließ deshalb anspannen und fuhr im Wagen im schnellen Tempo die 10 km von der Station nach dem Regierungsgebäude in der Stadt, um das Telegramm persönlich zu überreichen. Neugierig, welche Maßregeln nun getroffen würden, war ich doch einigermaßen überrascht, als ich am nächsten Tage zunächst ein Strafmandat wegen – Schnellfahrens – erhielt. Ich überlegte mir aber dann, daß es eigentlich erfreulich sei, daß die einheimische Polizei ihre Ruhe bewahrt hatte und nach wie vor auf Straßenordnung sah. (Im übrigen wurde das Strafmandat alsbald zurückgezogen).
Die Nachricht von der englischen Kriegserklärung kam den Deutschen in Samoa in der Tat mit der Plötzlichkeit eines Erdrutsches. Samoa war auf einen Krieg vollständig unvorbereitet. Eine sofort vorgenommene Zählung der auf den Inseln vorhandenen Waffen hatte ein niederschmetterndes Ergebnis: der ganze Waffenschatz der Kolonie bestand aus 50 Karabinern, Muster 1871, mit je 20 Patronen, die mangelhaft oder gar nicht funktionierten, und einem alten Salutmörser mit einer Feuergeschwindigkeit von zwei Schuß pro Stunde. Noch blieb die Hoffnung auf das Deutsch-ostasiatische Kreuzergeschwader, das auf einer Südseereise begriffen war und in funktelegraphischer Verbindung mit Apia stand. Es war zwar unwahrscheinlich, daß Graf Spee mit seiner Flotte Samoa, das keinen geschützten Hafen, keine Kohlenstation und keine Befestigungen besitzt, als Stützpunkt benützen würde, aber jeder hoffte auf einen kurzen Besuch und Aushändigung von ein paar Maschinengewehren und sonstigen Waffen. Aber so sehr die Wache auf unserem 120 m hohem Turme den Horizont absuchte, nirgends zeigte sich die deutsche Kriegsflagge.
Die innere Lage Samoas barg infolge des Ausbleibens der Flotte und des Munitionsmangels manche Gefahren. Die Gesamtzahl aller Weißen in Samoa betrug nur 500, darunter 200 Engländer und Neutrale. Die Zahl der Frauen und Kinder war 200. Ferner befanden sich 2500 Chinesen und 800 Neu-Guineaneger als Pflanzungsarbeiter am Platze und etwa 35000 Samoaner, unter welchen es eine englandfreundliche Partei gab, die von den englischen Missionen insgeheim gestärkt worden war. Die deutsche Regierung traf alle erforderlichen Maßnahmen und bildete eine Polizeitruppe von 60 Weißen, wovon etwa 20 Mann zur Bewachung unserer drahtlosen Station abkommandiert wurden.
Die drahtlose Station blieb natürlich nicht müßig. Jede Minute, die nicht ausgefüllt war durch den Verkehr mit Nauru und Yap und durch das Aussenden von Warnungen an deutsche Schiffe,[ii] wurde benutzt, um die englischen und französischen Land- und Schiffstationen in Austral-Asien zu stören. Apia und Nauru waren damals die stärksten Funkstationen zwischen Honolulu und Sydney. Funktelegraphisch war Deutschland in der Südsee weit besser gerüstet als militärisch.
Nach dem Bombardement der Telefunken-Station Yap am 10. August 1914 waren wir abgeschnitten von jeder Verbindung mit der Heimat, und wir mußten die Kriegsnachrichten, die auf unserem fernen Außenposten mit der größten Aufregung erwartet wurden, nehmen, woher wir sie bekamen. Die englischen Nachrichten aus den Stationen Australiens, Neu-Seelands und Fidjis waren für uns von geringer Bedeutung; einigermaßen zuverlässige und unparteiische Nachrichten konnten wir nur von den neutralen Stationen in Honolulu, San Franzisko, Pago-Pago und von den amerikanischen Schiffen erwarten, die wir belauschten und gelegentlich um Übermittelung von Zeitungs-Nachrichten ersuchten. Wir erhielten aus den amerikanischen Quellen ein leidlich richtiges Bild von der Kriegslage. Der Gouverneur von Samoa verbrachte jede Nacht auf der Station, um sofort informiert zu sein. Ein Raum in der Station wurde als Zeitungs-Redaktion benutzt und eine dort zusammengestellte, täglich in deutscher und samoanischer Sprache erscheinende Zeitung übermittelte die Depeschen der Bevölkerung. Ein reitender Bote brachte jeden Morgen um 4 Uhr die Depeschen und Artikel von der Station nach der Druckerei in Apia.
Selbstverständlich lauschten wir mit besonderem Interesse auf irgendwelche Lebenszeichen der feindlichen Kriegsschiffe. Aber das feindliche Geschwader verhielt sich im allgemeinen still, es wollte sich nicht verraten, um den Überfall auf Samoa möglichst überraschend zu gestalten. Wir brauchten nicht lange auf das Erscheinen des Feindes zu warten. Am Morgen des 29. August 1914 meldete unser Turmausguck die Annäherung einer Flotte von acht Kriegsschiffen. War es die Flotte des Grafen Spee? Ein letzter Hoffnungsstrahl durchzuckte die Deutschen. Aber nur allzubald hörten wir den charakteristischen Ton der rotierenden Funkstrecken der englischen Kriegsschiffe, und schon zeigten sich auch im Fernrohr nicht die Umrisse der „Scharnhorst“, sondern die eines Dreadnought, — es war das feindliche Geschwader! Die Kriegsschiffe legten sich im Halbkreis auf die Rhede, klar zum Gefecht, und wir auf der Station erwarteten jede Sekunde „starke atmosphärische Störungen“ in der Form von Granatsplittern. Der Hafen von Apia rauchte und dampfte von all den grauen Kolossen. Das allerdings hatten die Deutschen nicht erwartet: Gegen ihre 50 Gewehre hatten die verbündeten Mächte einen Dreadnought, zwei große Kreuzer und drei kleine Kreuzer und zwei Truppen-Transportschiffe aufgeboten. Der Geschwaderchef Vize-Admiral Patey erzwang durch einen Völkerrechtsbruch, durch die Drohung, die unbefestigte Stadt Apia zu bombardieren, die Besetzung der Insel und alsbald landeten nicht weniger als 1500 vorzüglich bewaffnete neuseeländische Soldaten, ausgerüstet mit Geschützen, Maschinengewehren, transportabler Telefunken-Station und reichlichen Proviantvorräten, und rückten, ohne Widerstand zu finden, in die Stadt. Die Engländer hatten Deutschlands militärische und maritime Stärke im Pacific weit überschätzt.
Eine der ersten Handlungen des neuen Administrators von Samoa, Oberst Logan, war die Veröffentlichung einer Proklamation, in der unsere Depeschen in der samoanischen Zeitung als unwahr hingestellt wurden. Er warnte Weiße und Farbige, den „Lügen des Grafen Bernstorff“ Glauben zu schenken. Noch im Dezember 1914 weigerten sich englische Stabsoffiziere in Samoa hartnäckig, an die Richtigkeit unserer Meldungen, daß Brüssel genommen und Belgien besetzt sei, zu glauben!
Da Vize-Admiral Patey von neuem drohte, sofort auf Apia Feuer zu eröffnen, wenn der Funkbetrieb auf unserer Station nicht abgebrochen würde, kam der Befehl vom Gouvernement, den Betrieb einzustellen und die Sender unbrauchbar zu machen. Wir waren auf die Ausführung dieses Befehls vom ersten Kriegstage an vorbereitet und hatten jeden Tag Sprengung und Außerbetriebsetzung der Station militärisch geübt. Die ganze Station war unterminiert und mit elektrischen Zündvorrichtungen versehen. Die Unbrauchbarmachung der Ölmotore, Schaltapparate, Leitungen, Funkstrecken etc. konnte deshalb programmäßig und rasch durchgeführt werden. Unser Ziel war: der Feind sollte viele Monate zur Wiederinstandsetzung brauchen, wir aber sollten in der Lage sein, nach Beendigung des Krieges die Station in kürzester Zeit wieder betriebsfähig zu machen. Von einer Niederlegung des Turms wurde Abstand genommen. Einer der Gründe war, daß der Turm den Eingeborenen als Wahrzeichen der deutschen Macht galt, und daß eine Zerstörung als übles Omen aufgefaßt werden würde. Wir rechneten auf Grund der eingelaufenen Siegesnachrichten des August 1914 nur auf eine kurze Kriegsdauer.
Die Unbrauchbarmachung der Station versetzte die Engländer in großen Zorn. Sie besaßen die Station, konnten aber vorläufig nichts mit ihr anfangen. Als ich am nächsten Tage vor die zum Kriegsrat im Regierungsgebäude versammelten Kommandeure der Kriegsschiffe und der Landungstruppen geführt wurde, verlangte ich einen Requisitionsschein für die Station, die Privateigentum unserer Gesellschaft ist. „Den bekommen Sie n i c h t ,“ fuhr mich der neuseeländische Oberst Logan an, der Kommandant des Expeditionskorps, „Sie haben mir durch die Zerstörung der Station einen bösen Trick gespielt.“ Ich erwiderte, das sei mit voller Absicht geschehen, wir hätten uns wochenlang eingeübt, ihm diesen Streich zu spielen; es sei eine selbstverständliche militärische Maßnahme, seine Kanonen vor der Übergabe zu vernageln. „Das ist durchaus nicht selbstverständlich,“ rief der Hauptmann Bell dazwischen, ein neuseeländisches Parlamentsmitglied und der juristische Berater des Expeditionskorps, „im Gegenteil, es ist nach Kriegsrecht strafbar; ein Soldat, der seiner Gefangennahme entgegensieht, darf beispielsweise keinesfalls vorher das Schloß aus seinem Gewehr entfernen!“ Mein nochmaliger Hinweis, daß die Unbrauchbarmachung eine halbe Stunde vor der Besetzung Apias erfolgt sei, daß die Station Privateigentum sei, mit dem wir tun konnten, was wir wollten, blieb wirkungslos.[iii] Oberst Logan redete sich in immer größere Aufregung hinein, ich sei gar kein Privatangestellter, sondern ein „Commander of the Imperial German Navy, secret Service.“ Er drohte zuerst versteckt, dann ganz offen mit Kriegsgericht und Erschießen, und verlangte genaue Angaben, was zerstört worden sei, ob und welche Teile entfernt worden seien, und wie die Station wieder herzustellen sei. Ich lehnte eine derartige Zumutung natürlich ab und gab ihm belanglose und gänzlich irreführende Antworten, umsomehr, da ich hörte, wie ein englischer Kreuzerkommandant dem anderen zuflüsterte ,,we must have the Station working to night.“ Die Verhandlungen nahmen einen immer erregteren Verlauf. Der Kommandant des Kreuzers ,,Philomele“ versuchte uns einen Strick zu drehen, indem er uns beschuldigte, Telegramme ausgesandt zu haben, obgleich der Befehl zur Einstellung des Betriebes bereits erfolgt war; eine vollständig unwahre Behauptung. Jawohl, sein Funkoffizier habe es ihm dienstlich gemeldet. Ein anderer Offizier, ich glaube, es war der Chefingenieur des Dreadnought „Australia“, versuchte es plötzlich mit Milde. Er zog mich in eine Ecke und führte aus, er habe zweihundert Mechaniker an Bord, die mit Leichtigkeit unsere Sender in Betrieb setzen könnten, unser Widerstand sei also zwecklos etc. Da ich am vergangenen Tage gesehen hatte, wie sich der drahtlose Sachverständige Neuseelands, Leutnant Davies, auf unserer Station abgequält hatte, wie er herumgeirrt war mit den Worten: ,,You put the Station thoroughly out of order and J got strict instructions to have the station working within 24 hours!“, verursachten mir die 200 Mechaniker von der „Australia“ weiter keine Beunruhigung. Oberst Logans Aufregung war inzwischen auf den Gipfel gestiegen. Er rannte im Zimmer herum, schlug mit der Faust auf den Tisch und begann aufs neue dunkle Drohungen auszustoßen. Schließlich, als er sah, welch peinlichen Eindruck sein Benehmen auf die anwesenden Offiziere machte, brach er die Scene ab mit den Worten: „Commander H., you are arrested,“ ließ mich so wie ich war, an Bord eines der englischen Kriegsschiffe abführen, ohne zu gestatten, irgendwelche meiner Angelegenheiten zu ordnen, und ohne mir mitzuteilen, was nun mit mir und den anderen Angestellten der Station geschehen würde. „The british Gouvernement will look after you.“ Als ich wegtransportiert wurde, konnte ich im Vorbeigehen noch unserem Telegraphisten Grün und Monteur Freund, die eben verhört werden sollten, den Grund meiner Verhaftung zurufen. Daß aus diesen beiden nichts herauszuholen war, darüber war ich vollkommen beruhigt. An Bord traf ich den Gouverneur von Samoa nebst seinem Sekretär. Dr. Schultz war kurz vorher zum Kriegsgefangenen gemacht worden. Sogleich nach meiner Ankunft ging das Schiff in See und brachte uns nach Fidji. Von dort wurden wir nach Neu-Seeland transportiert und auf der Insel Motuihi bei Ouckland 4½ Jahre interniert.
Die Zuversicht der Neuseeländer, die großen Sender unserer Station innerhalb 24 Stunden betriebsfähig zu machen, erfüllte sich nicht. Nachdem mehr als 24 Monate ins Land gezogen waren, arbeiteten sie immer noch nicht. ,,We have given it up“, versicherte resigniert einer der Stationsoffiziere einem Deutschen Ende 1917. Alles Mögliche war versucht worden, unsere Maschinen, Apparate und Leitungen wieder zusammenzusetzen und in Betrieb zu bringen. Eine Proklamation des Administrators setzte für die Einwohner Samoas auf Zurückbehaltung von Teilen der Funkstation die Todesstrafe fest. Einem ahnungslosen Segelschiffskapitän, der ruhig in Fidji, 500 Seemeilen von Apia vor Anker lag, rückte plötzlich die Polizei an Bord und ließ das Innere und durch Taucher sogar das Aeußere des ganzen Schiffes bis auf die Ankerketten nach Teilen unserer Funkstation untersuchen. Der Petroleummotor der Eismaschine des Schlachtermeisters von Apia wurde konfisziert und als Antriebsmotor auf der Station verwendet. Er erwies sich als viel zu schwach. An unserem Glühkopfmotor wurde monatelang herumexperimentiert. Nach Wiedereinsetzen der Regulatorteile, die wir entfernt hatten, sprang der Motor plötzlich an, ging aber, da die richtige Regulatorstellung nicht erraten war, ganz wie wir erwarteten sofort durch, wobei das schwere Schwungrad explodierte. Ein Teil des Schwungrades durchschlug das Dach, traf den Turm in 75 m Höhe, knickte ihn ein, fiel herab und schlug einem Stationsarbeiter das Bein ab. Zu den Sachverständigen von Neu-Seeland wurden noch Experten aus Australien verschrieben. Mit vieler Mühe wurde dann festgestellt, welche Leute mit mir auf der Telefunken- Station in Sydney vor dem Kriege tätig gewesen waren und auch diese wurden herbeizitiert. Es stellte sich aber doch die Notwendigkeit heraus, eigene Apparate und Maschinen einzubauen, die von weit her, man sagt, von Honolulu und Vancouver mit großen Kosten herbeigeschafft wurden. Die Wiederinstandsetzung der Station war eine Prestigesache für die Engländer geworden. Die vergeblichen Versuche auf der Station waren den Eingeborenen nicht verborgen geblieben. Auch der Unfall mit dem Dieselmotor hatte sich trotz strengster Geheimhaltung sofort herumgesprochen und dem englischen Ansehen bei den schadenfrohen Samoanern Abbruch getan.
i. Den Abnahmeversuchen im Juli gingen einige interessante funktelegraphische Zeitsignal- und Längenbestimmungsversuche voraus, die gemeinsam mit dem astronomischen Observatorium in Apia und den Telefunkenstationen in Yap, Nauru und Tsingtau unternommen wurden, um die noch nicht genau bekannte geographische Länge von Samoa festzulegen.
ii. Nach Neu-Seeländischen Zeitungsmeldungen hat der deutsche Dampfer „Wismar“, der sich in der Nähe Neu-Seelands befand, auf Grund der Warnungen der Funkstation Apia rechtzeitig seinen Kurs geändert und sich nach Chile gerettet.
iii. Ich erfuhr später in der Gefangenschaft von Oberst Turner daß von den 12 im Kriegsrat anwesenden Kommandanten nur zwei die vorherige Zerstörung der Station für kriegsrechtlich zulässig erklärt hatten!
Addendum:
Telefunken-Zeitung 3. Jahrgang, Nr. 17 (August 1919), S. 101:
Ingenieur Hirsch und die bei ihm befindlichen Herren hatten, bevor sie nach Motuihi gebracht wurden, noch einige recht gefährliche Stunden auf der Station in Samoa durchmachen müssen. Sie hatten im letzten Augenblick einige wichtige Teile der Apparate ihrer Station unbrauchbar gemacht und weder die Zusage einer hohen Belohnung, falls die Station wieder in Gang käme, noch die Androhung mit Erschießen konnte sie dazu bewegen, den Engländern ihren Willen zu tun. Aufrechte Charaktere, so wie wir sie stets kannten, blieben sie auch standhaft gegenüber dem Feinde. Den Reichsbehörden wurde ihr standfestes Verhalten bekannt gegeben; die Anerkennung wird hoffentlich nicht ausbleiben.
Sonst ging es den Herren in Motuihi im allgemeinen leidlich; sie hatten zwar unter dem Mangel an Zeitungen zu leiden, aber mit den ihnen von hier aus gesandten Unterstützungsgeldern konnten sie sich manche Erleichterungen verschaffen. Zu Weihnachten erhielten sie von uns stets eine größere Büchersendung, die auch richtig an den Bestimmungsort gelangte.
Sehr schlecht spielte dagegen das Schicksal dem Telegraphisten Grün mit. Dieser wurde nach wenigen Monaten aus Ursachen, die sich unsrer Kenntnis entziehen, von den andern Herren getrennt und auf die Festung Devonport gebracht, wo er längere Zeit blieb. Dort traf er mit den Leuten des deutschen Kriegsschiffs „Seeadler“ zusammen, beteiligte sich bei deren Fluchtversuch, der leider ein vorzeitiges Ende nahm, und wurde nun von neuem gefangen gesetzt. Die Nachrichten, die wir durch seine Familie erhielten, lauteten nicht sehr günstig.
Von Ingenieur Hirsch wie auch von andern Herren, hatten wir hin und wieder Nachrichten, in denen er uns über das Tun und Treiben auf der Insel und ihre Beschäftigung, um den Geist rege zu erhalten, Bericht erstattete. Auch einige Bilder erhielten wir, obgleich mancher Brief sein Ziel nicht erreichte. In Motuihi befanden sich auch Regierungsbeamte aus Samoa.